Phaszination - Die Röhre im Radiomann


Vielleicht ist das geheimnisvolle Leuchten der Röhren einer der Gründe, warum sie wieder auf so viel Interesse stoßen. Ein berühmter Mann hat einmal gesagt: "Im Grunde unseres Herzens sitzen wir alle noch an Lagerfeuern in irgendwelchen Höhlen." Der Blick ins Feuer ist uns inzwischen meist verwehrt, deshalb lieben wir die Röhren.


Aus "Röhrenprojekte von 6 bis 60 V" (Burkhard Kainka)


Vor längerer Zeit baute ich für meinen Neffen ein Blinklicht mit Leuchtdioden. Er war nicht sonderlich begeistert und fragte: "Kannst du da auch richtige, kleine Birnen einbauen? Ich meine, wie bei 'ner Taschenlampe." Sicher konnte ich es "richtig" blinken lassen, und mein Neffe war zufrieden. - Ich verstand ihn, denn es war viel spannender, wenn ein Draht zum Glühen gebracht wurde als wenn ein kalter, roter Punkt mal hell, dann wieder dunkel wurde.

Wärme, Licht - das Lagerfeuer der Elektronik. Behagliche Nische in der kalten Perfektion moderner Hochleistungselektronik.

Aber zum Radiomann: Niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass Transistoren besser für Experimentierkästen geeignet sind als Röhren, und wenn es in der Anfangszeit des Radiomann schon Transistoren gegeben hätte, hätte man ihnen höchstwahrscheinlich den Vorzug gegeben. Und doch möchte ich rückblickend feststellen, dass das Fehlen von Transistoren und die notgedrungene Verwendung der Röhre eigentlich ein Glücksfall war. Die Röhre war der Mittelpunkt der Schaltung, alles gruppierte sich um sie herum, viel stärker und augenfälliger als bei einem Transistor. Die Röhre erlaubte keine vielfältigen Schaltungsvarianten; sie bewirkte eine Konzentration auf wenige, zentrale Versuche. Noch heute werden diese Versuche diskutiert und nachgebaut. Einige der Versuche sind regelrecht zu Klassikern geworden, so z.B. der Versuch "Ganz Europa spricht zu uns" - oder einfach der "Versuch 76":

Vieles spricht dafür, dass auch damals schon eine gewisse Phaszination von der Röhre ausging, obwohl man sich dessen wahrscheinlich nicht bewusst war. Man kannte ja noch nicht das kalte Funktionieren der Halbleiterelektronik. Wenn die Batterie angeschlossen war, wurde zuerst die Röhre beobachtet, und wenn die Kathode zu glimmen begann, dann füllte der Versuch sich mit Leben. Ja, die Röhre machte mit ihrem schwachen Leuchten den Versuch förmlich lebendig. Die Musik im Kopfhörer war Lagerfeuermusik.

Heute fachsimpeln die Radiomann-Experten (ja, die gibt es), welche Röhrentypen verwendet wurden. Waren es wirklich Raumladegitterröhren? War alles, was in dem Glaskolben mit der Aufschrift DM300 steckte, wirklich DM300? Was war mit den Anschlüssen, wurden die irgendwann klammheimlich vertauscht? Später, als die EF98 eingesetzt wurde, gab es klare Verhältnisse. Nun hatte man eine handliche Röhre, direkt für den Einsatz mit Niedrigspannungen konstruiert, aber andererseits nicht mehr so schön bauchig. Trotzdem, mit der EF98 konnte sich die Röhre noch einige Jahre lang behaupten, parallel zu den Transistoren, an denen auch der Radiomann nun nicht mehr vorbeikam.



Nachtrag: Bezeichnend ist, dass sich gelegentlich auch Profis am elektronischen Lagerfeuer niederlassen, Leute, die sich berufsmäßig mit modernster elektronischer Technik befassen (müssen). Ausspannen von der Hektik der explodierenden Innovationen.


Einige interessante und qualifizierte Beiträge zum Radiomann, insbesondere zu den Röhren, gibt es wieder im Forum des Radiomuseums:

http://www.radiomuseum.org/dsp_forum_thread.cfm?board_id=13560

Ein paar ausgesprochen schöne Bilder vom Versuchsaufbau mit der DM300 sind hier zu finden:

http://uv201.com/Radio_Pages/radio_technician.htm

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